Familienbuch "Rohlfs"

Detailliste

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6871 August Friedrich Wilhelm Friedhoff «aus 4134» , 26.04.1826 Wagenfeld, 05.12.1907, [I7027], Timo Friedhoff, Der als Vater genannte Friedrich Wilhelm Bussmann wehrte sich gegen die Vaterschaft und erkannte das Kind nicht als das seinige an. Wisken zog den Jungen alleine groß, ohne jemals zu heiraten.
Heute ist nicht mehr nachzuweisen, wo in Haßlingen sie mit ihrem Jungen gewohnt hat. Vielleicht bei ihrer Mutter, die sie noch um fünf Jahre überleben sollte, oder einem ihrer Halbgeschwister oder als Magd auf einem der Bauernhöfe. Sie hat sich und ihr Kind durchgebracht - manchmal wohl mehr schlecht als recht. Aus Hunger fing der Junge das Stehlen an.
Mit 14 Jahren wurde er dabeizum ersten Mal erwischt - und zu 4 Tagen Gefängnis verurteilt.
Als er 20 Jahre alt war, wurde er zum zweiten Male erwischt und nun zu 3 Wochen Gefängnis verurteilt. Gleich im Folgejahr ertappte man Friedrich Friedhoff, der ebenso wie seine Mutter Krüger genannt wurde, bei einem Einbruch. Nun erfolgte eine Verurteilung zu einem 6monatigen Strafaufenthalt im Strafarbeitshause in Hameln.
Die Entlassung erfolgte am 9. Januar 1848. Zwei Wochen vorher wandte sich der Verein für entlassene Strafgefangene im Bezirk Hannover bittend an den damaligen Pastor Plathner und bat um Fürsprache für Krögers Frierk:
"… An Euer Hochehrwürden wendet sich die unterzeichnete Committee vertrauensvoll und ganz ergebenst mit der Bitte, dass Sie mit wohlwollendem Sinne unseren Bemühungen für den am 9. Januar kommenden Jahres zu entlassenden Hamelschen Strafgefangenen August Friedrich Wilhelm Krüger, rectius Friedhoff aus Haßlingen, der sich unserer Hülfe empfohlen hat, Sich anschließen wollen. Der Mangel an thätigen Mitgliedern unseres Vereins innerhalb Ihrer Parochie wird unsere Bitte entschuldigen.
Krüger wünsche als Ackerknecht wieder unterzukommen und ist auch wohl nach seinen bisherigen, aus der abschriftlich nebengehenden Charakteristik sich ergebenden Lebens-Verhältnissen zunächst darauf angewiesen, sich seinen Unterhalt auf diese Weise zu erwerben. Wenn Euer Hochehrwürden sich bemühen wollten, ihm eine solche Stelle zu verschaffen, so würde die Committee dies auf das dankbarste erkennen. Zwar kann sich dieselbe nicht verbergen, dass auf eine sofortige Realisierung dieses Wunsches schwerlich zu hoffen sein dürfte, indeß würde ihm fürerst, wenn Euer Hochehrwürden sich dafür verwenden wollten doch wohl Tagelöhnerarbeit und vielleicht auf Ostern ein festes Unterkommen verschafft werden können. Das Amt Diepholz wird gewiß gern seine Bemühungen mit den Ihrigen vereinen. Sollte für den Anfang eine Geldunterstützung sich als dringend nöthig herausstellen, wenn etwa der Mangel an ausreichende Kleidung oder augenblicklichem Verdienste die Veranlassung dazu gebe, so würde die Committee auf Euer Hochehrwürden Vorschlag gern das Erforderliche bewilligen.
Die Jugend des Krüger und die ihm ertheilten Zeugnisse - das des Predigers der Strafanstalt liegt gleichfalls in Abschrift an - geben die Hoffnung, dass dasjenige, was die christliche Liebe an ihm zu thun bereitwillig ist, nicht vergebens und ohne Frucht bleiben werde. Er gehört zu Eurer Hochehrwürden Pfarrkindern, es würde überflüssig sein, Ihrer Fürsorge, Ihrer väterlichen Zusprache und Ueberwachung ihn besonders empfehlen zu wollen. Jede künftige Mittheilung über ihn wird die Committee dankbar entgegen nehmen…"
Zusammen mit diesem Bittschreiben erreichten den Pastor damals auch das Zeugnis des Amtsbruders in dem Hamelner Strafarbeitshaus sowie die beschriebene Charakteristik. Diese beiden Schriftstücke geben einen Einblick in die Person des Friedrich Friedhoff oder Krüger, genannt Frierk.
"… Pastoral-Zeugnis: Friedrich Krüger rectius Friedhoff aus Haßlingen hat sehr ungenügende Religionskenntnisse, hat auch nicht gelernt. Er ist immer sehr bewegt, wenn über seine Sünden und deren folgen mit ihm geredet wird, indeß scheint das nicht sowohl eine Äußerung ernster und wahrer Reue, sondern Folge seines leicht ergriffenen Gemüths, ja einer gewissen sittlichen Schlaffheit zu sein. Ein bestimmtes, bewusstes Streben nach Bekehrung ist schwerlich in ihm. - Er hat einmal das heilige Abendmahl mitgefeiert.
Hameln, den 7. December 1847. gezeichnet G. W. Schramm, Pastor am Strafarbeitshause …"
"… Charakteristik des Inquisiten Friedrich Krüger rectius Friedhoff aus Haßlingen 1847.
I) Vor- und Zunamen: August Friedrich Wilhelm Friedhoff, auch Krüger genannt.
II) Geburtsort: Haßlingen
III) Geburtstag und jetziges Alter: Ist am 26. April 1826 geboren, daher jetzt 21 Jahr alt.
IV) Stand der Eltern: Ist ein unehelicher Sohn der Witwe des Häuslings Krüger in Haßlingen, geb. Friedhoff. Als Vater ist von der Mutter Friedrich Wilhelm Buschmann aus Wagenfeld angegeben, welcher aber die Vaterschaft leugnet.
V) Glaubensbekenntnis: Lutherische Religion
VI) Erlernte Handwerke oder Kunstfertigkeit: Keine
VII) Wirklich betriebene Gewerbe pp: Inquisit hat sich seinen Unterhalt als Knecht und Tagelöhner zu erwerben gesucht.
VIII) Letztes gesetzliches Domizil: Haßlingen
IX) Familien Verhältnisse: Inquisit ist unverheirathet und lebt bei seiner Mutter.
X) Frühere Verbrechen pp: Inquisit ist bereits im Jahre 1840 wegen Entwendung mit 4 tägigem Gefängnis, sodann im Jahre 1846 wegen Entwendung mit 3 wöchigem Gefängnis bestraft.
XI) Jetzt zu ahnende Verbrechen: Versuch eines Diebstahls mittels Einbruchs.
XII) Jetzt zuerkannte Strafe: 6 monatliche Arbeitshausstrafe.
XIII) Gegenwärtiger Gesundheitszustand: Gut.
XIV) Gemüthsart, Neigungen, Leidenschaften: Inquisit scheint offen und gutmüthig und ist zu dem Vergehen wohl nur durch Hunger veranlasst. Besondere Neigungen und Leidenschaften sind nicht zu bemerken.
XV) Vermögen, sich nach künftiger Entlassung ehrlich zu ernähren: Inquisit muß sich durch seiner Hände Arbeit als Knecht, oder Tagelöhner ernähren; Vermögen besitzt er gar nicht …"
Anhand der Charakteristika kann man das Wesen des Friedrich Krüger-Friedhoff erahnen. Demnach scheint er nicht aus lauter krimineller Energie gestohlen und eingebrochen zu haben, sondern aus purer Not und Hunger. Wie der Prediger ihn beschreibt, scheint er ein gewöhnlicher Mensch mit einem nicht sonderlich weit gehenden Horizont und einer schlechten Schulbildung - auch eines niedrigen Intelligenzquotienten - simplen Gemüts eben gewesen zu sein. Die Formulierung von "sittlicher Schlaffheit" und die Schilderung seiner Ergriffenheit in Bezug auf seine begangenen Sünden deutet auf einen Charakter hin, dessen Handeln nicht vom Kopf, wohl eher aber vom Gefühl bestimmt wird. Ein Mensch, der, durch eine führende Hand in die richtige Richtung gewiesen, durchaus in der Lage ist, sich in die Gesellschaft einzufügen, der aber scheitert, wenn er ohne Hilfe gelassen wird.
Weitere Akten zu diesem Fall fehlen uns. Man darf aber annehmen, dass Pastor Plathner, der sich stets um das Wohl seiner Pfarrkinder sorgte, dem Wunsch des Vereins entsprochen und eine entsprechende Anstellung als Ackerknecht besorgt hat. Es mag schon schwierig genug gewesen sein, in Wagenfeld einen Bauern zu finden, der bereit war, Krögers Frierk in sein Haus aufzunehmen. Schließlich kannten die Wagenfelder ihn und ebenso gut seine langen Finger. Bei vielen wogen die Vorurteile sicher schwerer als die christliche Bereitschaft zu helfen.
Immerhin konnte Krögers Wisken noch die ersten Schritte der Besserung im Leben ihres Sohnes erleben. Doch eine Besserung der existenziellen Not der beiden trat so schnell nicht ein. Als sie am 28. September 1849 nach 14tägiger Bettlägerigkeit abends um 18:00 Uhr an den Folgen der Wassersucht und eines Geschwulsts starb, war sie bettelarm. Auch ihr Sohn war so arm, dass er sich ein Begräbnis seiner Mutter nicht leisten konnte. Krögers Wisken wurde im Armensarg auf Kosten der Kirchengemeinde begraben. Die Beisetzung erfolgte "privatim", d. h. nur im Kreise der Familie.
Frierk verdiente sich fortan seinen Lebensunterhalt als Knecht. Mit 37 Jahren heiratete er 1863 schließlich die aus Neustadt stammende Friederike Henriette Louise Tappe (19.12.1841 - 28.02.1908), mit der er ein Jahr später eine Heuerstelle in Bockel bezog. Die beiden zogen während ihrer Ehe von einem Heuerhaus zum anderen. 1863 war Frierk noch Knecht in Neustadt. Von 1864 bis mindestens 1871 war er Häusling in Bockel, ab 1875 bis mindestens 1877 Häusling in Haßlingen und ab 1881 dann in Neustadt. 1893 bewohnten er und seine Frau das Heuerhaus von Stoffers (Spreen-Winkelmann) in Neustadt Nr. 9.
Sechs Töchter und vier Söhne wurden ihnen geboren, drei der Töchter starben schon früh. Von den verbliebenen sieben Kindern wanderten mindestens drei nach den USA aus: Der älteste Sohn namens Friedrich Wilhelm (*27.05.1863) lebte 1902 in New York. Das geht aus einem Taufeintrag seines Neffen hervor, dessen Patenonkel er in dem Jahr in Wagenfeld wurde.
Ein weiterer Sohn namens August Friedrich Wilhelm (03.12.1871 - 14.03.1936) heiratete Sophie Wilhelmine Finkenstädt (20.02.1872 - 06.04.1944) von einer Heuerstelle aus Bockel, wanderte zwischenzeitlich aber auch nach Amerika aus.
Dann gab es noch eine Tochter namens Johanne Auguste (*22.10.1882), die jüngste von allen, die ebenfalls in die USA auswanderte und dort einen Mann namens Paul heiratete.
Am 5. Dezember 1907 starb Krögers Frierk, der Vater dieser Kinder, auf einer Heuerstelle in Neustadt, seine Frau ebendort ein Jahr später.
Bei den alten Krögers lebte deren drittältester Sohn Carl Friedrich Wilhelm Friedhoff (20.01.1870 - 25.05.1946), ebenfalls Krögers Frierk gerufen.
  I) 1863 , [F3673]
 Friederike Henriette Louise Tappe «aus 24785» , 19.12.1841 Wagenfeld-Neustadt, 28.02.1908, [I24996]
 Kinder:
 1)Friedrich Wilhelm , 27.05.1863, [I7071], «6889»
 2)Dorothee Wilhelmine Friederike , 03.11.1864, 15.01.1865, [I7062], «6891»
 3)Dorothee Sophie Louise , 10.10.1866 Wagenfeld, 12.01.1867 Wagenfeld, [I7060], «6893»
 4)Carl Friedrich Wilhelm , 25.09.1867, [I7041], «6895»
 5)Carl Friedrich Wilhelm , 20.01.1870, 25.05.1946, [I7040], «6898»
 6)August Friedrich Wilhelm , 03.12.1871 Wagenfeld, 14.03.1936 Barver, [I7026], «6899»
 7)Marie Sophie , 04.01.1875, 27.03.1942 Mackenstedt, [I7121], «20192»
 8)Marie Dorothee , 01.02.1877 Wagenfeld, [I7117], «6901»
 9)Marie Dorothee Louise , 13.04.1881 Wagenfeld, 16.04.1881 Wagenfeld, [I7118], «6902»
 10)Johanne Auguste , 22.10.1882, [I7104], «17099»


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Erzeugt am 12.04.2017 mit Ortsfamilienbuch © von Diedrich Hesmer
basierend auf Daten aus "rohlfs_2017_04_u.ged"