Auszüge aus dem von Käthe Nauss verfassten Vorwort
Von 1796 an erschien das Blättchen (Bremer Wöchentl. Nachrichten) zweimal wöchentlich. Der Umfang der beiden Wochenausgaben, der zunächst noch zwischen 10 und 14 Seiten schwankte, stieg schon im Verlauf weniger Jahre und erreichte bereits im Jahre 1800 bis zu 40 Quartseiten. Ursache hierzu war die Intensivierung des Wirtschaftslebens. Am Schluß jeder Ausgabe wurden die Wetternachrichten gebracht, die entgegen unserer heutigen Gewohnheit lediglich die Witterungsverhältnisse der vergangenen Woche registrierten, z. B. „bezogene Luft, hell, windigt, neblicht, still und trocken, naß“ etc. Auf der 4. Seite hatten auch Edictal-Citationen der Gerichte ihren gewohnten Platz.
1796 ist auch das Geburtsjahr für die Familienanzeigen. Diese sind für den Familienforscher eine wahre Fundgrube. In der Hauptsache waren es Geburts- und Sterbeanzeigen, die aufgegeben wurden, vereinzelt wurden auch Verlobungen und Vermählungen bekanntgegeben. In den Jahren von 1796 bis 1811 habe ich lediglich 2 Verlobungs- und 43 Heiratsanzeigen gefunden.
Was fällt bei diesen Anzeigen besonders auf? Bei den Geburtsanzeigen wird der Name des Kindes noch nicht genannt. Der Vater zeigt die Geburt seines Sohnes oder seiner Tochter an; nur in seiner Abwesenheit, was meist bei Seefahrern der Fall war, meldete die Mutter die Ankunft eines Neugeborenen an. Der Geburtsname der Mutter wird in den seltensten Fällen genannt. Oftmals geben Familienangehörige die Anzeigen für ihre im Ausland lebenden Angehörigen auf. Man wird in diesen Registern daher manches finden, was sonst nirgends verzeichnet ist.
Folgende Anzeige lehrt uns, daß früher vielfach Familienanzeigen mündlich durch Dienstboten von Haus zu Haus bekanntgegeben wurden. So heißt es:
„Da ich von ohngeähr erfahren, daß es einigen Freundinnen meiner Frau nicht angesagt worden ist, daß dieselbe am 28.09. glücklich von einem Knaben ist entbunden worden und sie dadurch ihren Besuch meiner Frau entzogen haben, so mach ich es denjenigen pflichtschuldigst nochmals öffentlich bekannt und bitte, die Nachlässigkeit meines Dienstmädchens zu verzeihen.“
Joh. Conr. Schutte, D. Sohn.
Es sollen mehr Knaben als Mädchen geboren sein. Auf 100 Mädchen kamen 106 Knaben. Die meisten Geburten waren im März, April und Mai, die wenigsten im Februar und Oktober. Die Verlobungs- und Heiratsanzeigen sind äußerst knapp gehalten. Die Sterbeanzeigen sind sehr überschwänglich, oft sogar von Gedichten begleitet. Es scheint damals keinen Zank und Streit gegeben zu haben, denn die Eheleute haben alle „in fröhlicher Ehe“ gelebt, ob die Ehe nun 5, 10 oder gar 50 Jahre gedauert hat. Fröhlich gingen sie hinüber und hofften auf ein fröhliches Wiedersehen. Später waren die Ehen nicht mehr fröhlich, dafür aber „zufrieden“. Aus dem Hinweis „nach 8 oder nach 14jähriger Ehe“ kann man leicht das Heiratsdatum errechnen.
Hier Beispiele von Gedichten und besonderen Anzeigen:
Auf P.A. Petris Tod
Vernehmt o Freunde, ach, er ist nicht mehr
der oft durch jene Kunst, die er so restlos liebte
oft unbelohnt nur frohe Stunden schuf.
Um sich den Pfad des Lebens zu erleichtern
Verfehlte er den Zweck!
Doch lebt er sicherlich im Herzen seiner Freunde
Und jene unbekannte Wonne lohnet ihn!
Du schaust vom Kreuz, von reinen Engelsfreuden auf mich,
die ich unglücklich bin, herab.
Ich suche dich mit namenlosem Leiden
Und schaue in Dein Grab.
Du wartest mein mit himmlisch frohem Sehnen.
Ich harre dein voll Kummer und in Tränen.
So schlummre sanft o gutes Herz
Um das ich trage großen Schmerz
Ruh sanft in deiner Höhle
Dort werd ich dich einst wieder sehn
wenn wir am Throne Gottes stehn
Du edle fromme Seele
Da stört kein Tod das reinste Band
Wir sind dann fest mit Gott verwandt.
„Er ist nicht mehr! Todesschlummer hat sich seiner bemächtigt. Das Grab ist Wohnung des besten Vaters und Schwiegervaters, Herrn Pastor Hemmi. Gott nahm ihn in seinem 64. Jahre am 4. d. Mts. morgens 8 Uhr durch einen sanften Tod zu sich in das Reich der Freuden, nachdem er 25 Jahre sein Amt in Dedesdorf als Prediger und als Christ freudig und gewissenhaft geführet, hatte er vor einem Jahr das Unglück, daß er in seinen Amtsgeschäften durch einen schlagartigen traurigen Zufall und nachherigen Kränklichkeit und Schwäche sein Amt zu führen unfähig wurde, nach welchem er leider der gesunden Tage wenig hatte, geruheten seine Herzogl. Durchlaucht vor 6 Wochen ihn auf sein Ansuchen in eine ehrenvolle Ruhe zu versetzen. Seit dieser Zeit genoß er in Eidewarden die Pflege einer seiner Kinder, bey welchem er sich aufhielt, jetzt ist er bey Gott und hat uns und diese Welt auf ewig verlassen. Viel zu früh für uns starb dieser edle gute Vater, dessen größte Sorge es war, für das Wohl seiner Kinder zu sorgen und uns, als seyne beyden Schwiegersöhne, wir müssen es öffentlich bekennen, behandelte er so rechtschaffen, so edel und gut, wie wenige Väter ihre leiblichen Kinder behandeln. Zwei Töchter und zwei Schwiegersöhne beweinen jetzt den Tod des besten Vaters. Der Lohn seiner edlen Thaten folgt ihm gewiß auch jenseits des Grabes. Wir verfehlen nicht den Tod dieses rechtschaffenen allen Theilnehmern unseres Schicksals bekannt zu machen und empfehlen uns zugleich ihrer Gewogenheit und gütigen Andenkens bestens. Gerecht sind die Thränen, die wir ihm nachweinen und der Schmerz wird nur noch durch Beyleidsbezeugungen vermehret. J. H. L. Kahn, Prediger im Braunschweigischen, Helena Elisabeth geb. Hemmi.“
Auf Grund dieser und ähnlich langer Anzeigen kann man schließen, daß die Gebühren hierfür wohl sehr niedrig gewesen sein müssen.
Groß ist die Zahl der jungen Leute, die nach Übersee gingen, um dort ihre kaufmännischen Kenntnisse zu erweitern und die dann ihr junges Leben infolge des gelben Fiebers oder ähnlicher Krankheiten lassen mußten. Genannt wurden in der Hauptsache Bahia, Philadelphia, Malaga, Baltimore, Livorno, Yarmouth, St. Thomas. Vielfach ist auch die ganze Besatzung eines Schiffes umgekommen, so daß das Schiff herrenlos auf dem Meer umhertrieb und die Angehörigen erst nach langer Zeit, oft erst nach Jahren, Nachricht von dem Ableben ihrer Angehörigen erhielten:
„Nach langem vergeblichem Harren sehe ich mich in die traurige Notwendigkeit versetzt meinen Freunden und Bekannten den für mich so schmerzhaften Verlust meines, mir ewig teuren Mannes, des Schiffers Johann Schulenburg und zweier innigstgeliebter hoffnungsvoller Söhne, Lüder und Albert Schulenburg, wo der erstere schon die Reise als Steuermann mitmachte, hierdurch anzuzeigen. Es traf wahrscheinlich sie, nach Gottes dunkeln, aber doch anbetungswürdigem Rath, das Loos, bey ihrer Zurückreise von Archangel, im Jahre 1803, im Monat November, an der Küste der Insel Schottland mit ihrem Schiff zu scheitern um nach aller Vermutung, in der Tiefe des Meeres begraben zu werden. Alle die, die diesen redlichen und in seinem Beruf seit mehr als 25 Jahren treu gewesenen Mann gekannt haben, werden sein und der seinigen Schicksal bedauern und sich sein Andenken theuer wert sein lassen. Mich kann bei diesem, für mich so unbeschreiblich harten Verlust nichts trösten als der Gedanke dereinstiger froher unzertrennlicher Wiedervereinigung. Sel. Johann Schulenburg nachgelassene Ww. mit ihren 5 verwaisten Kindern.
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Des einzigen Zweiges beraubt, stehen wir nun als der entlaubte Stamm und beweinen die wohltätige Stütze unseres späteren Alters. O er war so gut, so hoffnungsvoll, daß uns nichts bey diesem für uns so unersetzlichen harten Verlust trösten kann, als der Gedanke, dereinstiger froher unzertrennlicher Wiedervereinigung. Das Schiff ist auf See untergegangen bei Cadnyk, nur der Capitän wurde gerettet.
Aus einer Anzeige erfahren wir, daß der Mann, der mit Capt. Becker auf seiner Reise nach Baltimore von einem französischen Kaper l’ Aigle den 28.01.1798 aufgehalten und an Bord dieses Schiffes übernommen wurde. Dieses Kaperschiff ist dann in den Wellen untergegangen.
Ein anderer ist auf der Reise von Ostindien nach Amsterdam von einem englischen Schiff „Gutton“ gekapert. Er mußte 4 Jahre auf diesem Schiff Dienst tun, er ist dann 1799 in Yarmouth gestorben.
Capt. Friedrich Rutenberg ist auf der Fahrt nach Bilbao mit dem Schiff und der ganzen Besatzung untergegangen.
Desgleichen ist die englische Fregatte „Lutine“, von Yarmouth nach Cuxhaven, untergegangen. Von den auf See gebliebenen sind 4 Mann über Bord gefallen und 4 auf See an gelbem Fieber gestorben.
Zum Schluß sei noch auf die Todesanzeige von Mme d’Aline verwiesen. Einige Nummern weiter entschuldigt sich nämlich der Betreffende und bittet, die Anzeige als nicht aufgegeben zu betrachten, da er scherzhalber den Tod seines Hundes angezeigt habe:
Madame d'Aline aus Sanct Sebastian + 19.1.1810/8 bei der Entbindung v. Zwillingen.-Da ich in Nr. 8 der Bremer Wöchentl. Nachrichten d.J. unter den angezeigten Sterbefällen den Tod meines Hundes unter dem Namen Madame d'Aline unschicklicherweise habe bekannt machen lassen, so ersuche ich alle diejenigen, die daran gerechten Anstoß genommen, mir solches zu verzeihen u. die Anzeige als von mir zurückgenommen zu betrachten.
Joh. Wienholt, Henr. Sohn