Verschollener Wortschatz aus Bremens Vorzeit

Vorwort

In Bremen und seiner Umgegend ist bekanntlich bis über das 18. Jahrhundert hinaus eine örtliche Eigenart des Plattdeutschen die übliche Umgangssprache der Einheimischen gewesen. Unser Hochdeutsch, das damals erst von einer Oberschicht gebraucht wurde, hat jene kernige Sprache seitdem so weit verdrängt, daß nur weniges von deren Wortschatz heute allgemein noch recht verstanden wird. Wer selbst alte Urkunden benutzen möchte, begegnet also mancherlei Schwierigkeiten.

Er trifft oft auf seltsame Buchstabenformen, da ehemals noch keine einheitlichen Regeln für sie bestanden. Auch manche Form, die jetzt für einen bestimmten Buchstaben gilt, wurde früher für einen ganz anderen Buchstaben verwendet, so daß wir Leser uns leicht täuschen.

Die gegenwärtige Meinung, jedes Wort sei allein bei Gebrauch einer einheitlich bestimmten Buchstabenfolge „richtig" geschrieben, hat sich erst im Laufe des vorigen Jahrhunderts durchgesetzt. Da es vorher noch keine „Rechtschreibung" für Ausdrücke - nicht einmal für Personennamen - gab, genügte es damals, durch irgendwelche Buchstabenfolgen die Worte so zum Ausdruck zu bringen, daß sie hörbar vorgelesen den gesprochenen Worten im Klang gleichkamen. Der Hörer von damals mußte lediglich begreifen können, was der Schreiber damit meinte. Ehedem hatten nämlich Viele niemals lesen gelernt und nur Wenige waren gewohnt, selbst zu schreiben.

Nachdem der Leser von heute die geschriebenen Worte entziffert hat, steht er vor der noch wichtigeren Frage, was sie eigentlich bedeuten. Einige hochdeutsche Worte klingen zwar ähnlich wie die der Bremer von einst, haben aber für uns manchmal nicht mehr völlig denselben Sinngehalt wie damals für jene. Die meisten Ausdrücke aus vergangenen Zeiten sind indessen verschollen. Bereits die alte Sprache war durchsetzt mit Wörtern aus fremdem Sprachgut. Ein Teil davon entstammt dem alten Latein oder dem klassischen Griechisch, anderes aus noch lebenden Fremdsprachen. Manche fremdartigen Wörter hatten einst ebenfalls einen anderen Sinngehalt als jetzt oder werden gar nicht mehr benutzt.

Somit müssen viele alte Ausdrücke zunächst erklärt werden, bevor man sie begreift. Hierfür stehen mannigfache Hilfsmittel bereit, die indessen nicht immer leicht aufzufinden sind. Als für ihr Sachgebiet verläßlich und reichhaltig sollen hier lediglich folgende in Bibliotheken des Staatsarchivs oder der Universität greifbaren Nachschlagewerke genannt werden, die vieles enthalten, das in heute allgemein gebräuchlichen Sachlexika und Sprachwörterbüchern nicht zu finden ist:

Grimm, Deutsches Wörterbuch,

P.A. Grun, Leseschlüssel zu unserer alten Schrift, Görlitz 1935

Dülfer / Korn, Gebräuchliche Abkürzungen des 16. bis 20. Jahrhdt, Marburg 1986

Bremisch-Niederdeutsches Wörterbuch, 5 Bände, Bremen 1767 bis 1851

Lübben / Walter, Mittelniederdeutsches Wörterbuch, 1955, 1989

Teut, Hochdeutsch-Plattdeutsches Wörterbuch, Hamburg 1931

Habel / Gröbel Mittellateinisches Glossar, Paderborn 1989

Hübner, Glossar zu den Mittelalterlichen Rechtsquellen der Stadt Bremen, als Anhang zur Quellenausgabe von Eckhardt, Bremen 1931

Zedier, Grosses vollständiges Universallexicon aller Künste und Wissenschaften, 64 Bände, Leipzig 1732 bis 1754

Jacobson / Rosenthal, Technologisches Wörterbuch, 8 Bände, Berlin 1793-1795.

Die älteren dieser Bücher bieten indessen nur das, was den Verfassern schon aus damaliger Sicht erklärungsbedürftig erschien. Gegenüber solchen Werken von wissenschaftlichem Rang soll das vorliegende Verzeichnis eines verschollenen Wortschatzes dem Leser nur vorläufig als erste Hilfe dienen und zwar hauptsächlich dem Familienforscher, dem das Bremer Platt oder Fremdsprachen nicht geläufig sind. Das anspruchslose Verzeichnis ist nicht Ergebnis systematischer eigener Forschung, sondern stellt lediglich Lesefrüchte aus dem vielfältigen wissenschaftlichen Schrifttum zusammen. Bisweilen sind dort Ausdrücke auch an solchen Stellen versteckt erläutert, die nur nach gründlichem Suchen zu entdecken sind.

Wegen des bezeichneten Zwecks sind auch Begriffe des alten Maß und Münzwesens sowie nicht allgemein verständliche Wortkürzel mitverzeichnet, zudem ist eine Vielzahl topographischer Namen aufgeführt, die einst in Bremen üblich waren. Ein großer Teil von diesen Namen ist den 4 Auflagen des Buches von Buchenau „Die Freie Hansestadt Bremen und ihr Gebiet" (1862, 1882, 1900, 1934) entnommen, deren Inhalt in manchen wertvollen Einzelheiten unterschiedlich ist.

Durch alphabetische Ordnung von Lesefrüchten in diesem Buch kann bereits während der Lektüre von Archivalien und gedruckten Urkunden manches eine Erklärung finden, was dem Leser zunächst nicht verständlich ist.

Zum Inhalt des Verzeichnisses wird folgendes erwähnt: Kommen für ein Wort mehrere Schreibarten vor, die sich wesentlich unterscheiden, so erscheint es gemäß den Unterschieden in der alphabetischen Folge mehrmals. Das soll helfen, das Wort zu erkennen, wenn es schwer lesbar geschrieben steht.

Berufs- und Amtsbezeichnungen aus der Zeit vor 1800 sind abweichend von den anderen verzeichneten Wortbegriffen, möglichst vollzählig angeführt, auch wenn es nicht notwendig oder noch nicht gelungen ist, sie zu erklären. Dieses Verfahren soll erkennen lassen, welche Erwerbstätigkeiten damals in Bremen schon oder noch bestanden haben.

Die gelegentlich vermerkte Zeit gibt nur an, was ich über das zeitliche Vorkommen dieser Bezeichnungen gefunden habe. Wo Zahlen der in einem bestimmten Beruf Tätigen ohne Angaben über die maßgebenden Jahre erwähnt sind, beziehen sie sich auf die Jahre 1684 und 1734, wie sie Klaus Schwarz „Die Handwerksgesellen in Bremen während des 18. Jahrhunderts" aufgezeichnet hat.

Der Titel „Verschollener Wortschatz aus Bremens Vorzeit" beschreibt nur den Hauptinhalt des Verzeichnisses, indessen nicht alles darin Aufgezeichnete. Einem Schlagwort ähnlich darf er auch nicht so aufgefaßt werden, als wäre jeder der vermerkten Ausdrücke ausschließlich in der Bremer Gegend heimisch gewesen. Das nun folgende alphabetische Verzeichnis läßt stets eine Seite frei, damit für Zusätze und Berichtigungen - auch von anderer Hand - an geeigneter Stelle daneben genügend Raum bleibt.

Als weitere Quellen für nachstehendes Verzeichnis sind zu nennen:

J. M. Lappenberg, Niederdeutsches Wörterbuch in: Geschichtsquellen des Erzstifts und der Stadt Bremen, 1841, S. 245 bis 268

Walter Putze, Warenregister für das Kaufmanns-Akzise-Rechnungs buch von 1617 (unveröffentlichtes Manuskript 1993).

Herrn Putze und Herrn Dr. Hofmeister vom Staatsarchiv Bremen verdanke ich die Erlaubnis, auch dieses Warenregister für das Folgende auszuwerten.